Ein Tag, eine Veränderung: Ausflug der 10. Klassen nach Verdun
“Der Mangel an Schlaf ist schlimmer als Hunger oder Durst. Wir sind schlecht ernährt. Wir haben nicht genug Wasser. Wir murren, aber wir halten dennoch durch.” (Auszug aus dem Tagebuch eines Artilleristen)
Dieser Mensch war einer der Vielen, die dazu gezwungen waren, die Qualen der größten Schlacht, die im ersten Weltkrieg ausgetragen wurde, auszuhalten. Und somit ging es für uns auf die womöglich eindrucksstärkste Reise in unserer gesamten Schullaufbahn: Nach Verdun in Frankreich.
Um kurz nach sechs fuhr bereits unser Bus ab, was vergleichsweise ziemlich früh für die meisten unter uns war. Dennoch war die vierstündige Fahrt ziemlich entspannt und leichter zu überstehen, als gedacht. Gegen zehn waren wir dann dort, und das Erste, das uns bereits beim Vorbeifahren den Atem raubte, fiel uns ins Auge: 16.000 weiße Kreuze, ein winziger Teil der Gefallenen, deren Mut dort verewigt wurde. Die Stimmung schwankte abrupt, nun wurde es ernst.
Vor Ort wurden wir in vier Gruppen in Betreuung mit jeweils zwei Lehrkräften aufgeteilt. Unsere Gruppe, die von Frau Hölz und Herrn Koepsel geleitet wurde, startete direkt am wichtigsten Punkt, der Festung Douaumont, in der die Soldaten sowohl lebten als auch starben. Es war, als wäre man umhüllt von einer grausamen Geschichte, die in den kalten und nassen Wänden des im Jahre 1874 erbauten Bunkers hauste. Es war wirklich viel, was dort emotional auf uns zukam. Besonders die Informationen, die wir zwischendurch von den Lehrern erhielten, ließen uns immer wieder mit Gänsehaut am Rücken zurück.
Doch viel schlimmer war es zu sehen, was dieser Krieg neben diesen schrecklichen Lebensumständen noch angerichtet hatte. Die “Feenlandschaft”, wie sie heute genannt wird, streckt sich über mehrere Hektar hinweg und enthält unter ihr unzählige, für immer begrabene Soldaten. Auch das Wetter schien sich von der Stimmung beeinflussen zu lassen und war grau und kalt.
Nach einer kurzen Pause, in der wir die Eindrücke bruchstückhaft verinnerlichen konnten, begab sich unsere Gruppe in das Mémorial de Verdun – ein Museum, das die Besucher und Besucherinnen in einer völlig anderen Zeit versinken ließ. Bilder, Briefe, persönliche Gegenstände, Uniformen, Filme und Audiotouren vertieften das Bewusstsein dessen, was einst passiert ist, zusätzlich.
Das Dorf Fleury, von dem viele auf den ersten Blick dachten, es wäre ein Wald von Ruinen, war komplett zerstört. Kein Gebäude, keine Mauer, die einst dort gestanden hatte, war mehr dort. Ein Dorf, das über Generationen hinweg aufgebaut wurde und seinen friedlichen Bewohnern eine Heimat geschenkt hatte, wurde in kürzester Zeit dem Erdboden gleichgemacht.
Nun kam das, auf was die meisten von uns schon den ganzen Tag über gewartet haben, die Besichtigung des Beinhauses und seines Feldes, das an einen winzigen Teil der Gefallenen erinnern soll. Man konnte es sich gar nicht richtig vorstellen, geschweige denn das gesamte Bild erfassen. Man konnte lediglich zwischen den Kreuzen spazieren und die einzelnen Namen und Posten von Personen, die ihr Leben für eine grausame Schlacht gegeben haben, durchlesen. Jeder Name stand für ein Leben, das vielleicht gar nicht die Zeit gehabt hatte, gelebt zu werden. Es war für die meisten kein Gefühl von Mitleid, es war auch keine richtige Trauer. Es war lediglich die Hoffnung, dass diese Soldaten in einem Krieg gestorben sind, der hoffentlich niemals wieder passieren wird.
Die Luft im Bus auf der Rückfahrt war gefüllt von Gedanken aller Art. Doch dieser Tag hat jeden Einzelnen von uns auf eine unbeschreibliche Weise verändert. Die meisten von uns sind in diesen Ausflug ohne großartige Erwartungen hineinspaziert, kamen aber anders zurück. Tage wie diese sind Tage, die unsere Generation prägen, indem sie uns mahnen, nicht die Fehler aus der Vergangenheit zu wiederholen. Wir alle haben ein Thema an uns herangelassen, das im regulären Geschichtsunterricht nie so weit zu uns durchgedrungen wäre. Und dafür sind wir den Lehrerinnen und Lehrern, die uns an diesem Tag begleitet haben und ohne die er gar nicht erst möglich gewesen wäre, einfach unfassbar dankbar.
Auch wenn es ein langer Tag war, hat uns genau dieser eine Erfahrung gegeben, die unser Leben auf viele Weisen beeinflusst hat.
Falls ihr genauere Infos zu der Schlacht, ihren Ursprüngen und Folgen oder auch den Sichten der Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer auf diesen Tag haben möchtet, empfehlen wir, mal ins nächste JohannsJournal reinzuschauen, wo wir uns dem Thema nochmal widmen. Es lohnt sich definitiv!